Dienstag, 8. Dezember 2015

Goetter auf Erden

Jetzt arbeite ich schon seit knapp 2 Wochen und kann sagen, ich kriege langsam Routine. Das macht die Sachen etwas einfacher (ausser die Teller) und erleichtert mir das Arbeiten etwas.
Doch was genau mache ich ueberhaupt im Restaurant? Klar, ich bin Kellner und nehme damit Bestellungen auf und bringe das Essen und Trinken fuer alle Kunden.
Doch kann man das mit Deutschland vergleichen?
Wenn man es auf die grundlegenden Aufgaben reduziert, dann auf jeden Fall. Bestellung aufnehmen, Tisch decken, Essen und Trinken bringen und am Ende aufraeumen. Doch das ist bei Weitem nicht alles, was man als Kellner in Japan macht.
Bei uns in Deutschland pflegt man ja zu sagen; "Der Kunde ist Koenig.". Das ist natuerlich fuer alle Kunden sehr angenehm, manchmal fuer die Arbeitenden etwas anstrengend, aber generell logisch, verstaendlich und (meistens) nicht zu aufdringlich.
So einen "Leitspruch" gibt es natuerlich auch in Japan. Der ist unserem sogar sehr aehnlich, aber auch eben nur ahenlich. Hier lautet er naemlich ungefaehr: お客様 は 神 です。Heisst so viel wie: "Der Kunde ist Gott".
Dieser kleine Unterschied veraendert aber die ganze Bedeutung und beeinflusst damit nicht nur meinen Job sondern (logischerweise) auch die Art, wie ich als Kunde in einem Geschaeft behandelt werde. Ich will jedoch nicht zu sehr ausschweifen und reduziere mich jetzt lediglich auf meine Erfahrungen, die ich im Laufe der zwei Wochen lernen konnten. Dass das natuerlich noch kein langer Zeitraum ist, ist mir bewusst. Er hat jedoch ausgereicht, um mir die wesentlichen Unterschiede aufzuzeigen.
Meine Arbeit beginnt dort, wo sie am Tag zuvor aufgehoert hat: Mit dem Aufraeumen. Egal, wie sauber man etwas am Vortag aufgeraeumt oder geputzt hat, man ueberprueft und korrigiert es am Tag danach erneut. Man will ja nicht, dass der Gast auch nur einen Fussel auf seinr frisch gewaschenen Tischdecke findet.
Wurde jeder Platz kontrolliert und fuer perfekt (nicht gut, denn das Gute ist hier nie gut genug) befunden, werden die Tueren geoeffnet und die Gaeste koennen kommen.
Trifft ein Gast ein, wird er vom ganzen Personal begruesst und hoefflich nach seinem Wohlbefinden befragt und wie man dafuer sorgen koenne, dass es ihm besser ginge (Anmerkung: Der Gast befindet sich immer noch im Eingang). Nebenbei wird ihm der Mantel, die Jacke und/oder das Gepaeck abgenommen und anschliessend zu seinem Tisch geleitet. Dort erhaelt er sein お絞り - Oshibori. Das ist ein kleines, weisses, relativ heisses, feuchtes Handtuch, mit dem sich der Gast die Haende und das Gesicht waschen kann. Man koennte ja von draussen schmutzig geworden sein. Und ein bisschen Wellness stimmt jeden gluecklich.
Anschliessend wird im die Speise,- Wein- und Bierkarte ueberreicht. Erkennt man im Gesicht des Gastes auch nur den Anflug von Unsicherheit, steht man stets bereit, um ihm bei all seinen Anliegen zu helfen. Faellt die Auswahl fuer das Essen oder Trinken zu schwer, ist das auch gar kein Problem. Gerne uebernimmt man als Kellner die Aufgabe und waehlt fuer den Kunden das passende Essen aus. Wahrscheinlich war es mal so gedacht, dass man im Gespraech mit dem Kunden beraet, was ihm wohl am besten schmecken wuerde. Doch Japan hat sich weiterentwickelt und beschlossen, dem Kunden einfach alle Sorgen zu nehmen. Wer moechte seinen Gast schon mit der schweren Aufgabe belasten, eigenstaendig sein Essen auszuwaehlen? Qual der Wahl? Nicht in Japan!
Hat man das gemeistert, wird das Essen zubereitet und zum Kunden gebracht. Da das jedoch etwas dauern kann (15 Minuten maximal), behaelt man den Kunden immer im Auge und liest ihm gerne alle Wuensche von den Augen ab.
Ist das Essen fertig, wird es mit der Beigabe von gefuehlten 100 mal gesagten "Entschuldigung" serviert. Steht alles auf dem Tisch, wird dem Kunden guten Appetit gewuenscht. Dann laesst man ihn essen. Fuer's Erste.
Denn man behaelt alle Kunden immer im Auge und laesst keinen Wunsch unerfuellt.
Hat der Kunde fertig gespeist, wird abgerauemt und neu gedeckt, waehrend man sich erkundigt, ob das Essen geschmeckt hat und alles zum Rechten gewesen ist. Steht es einem dann nach etwas Suessem, wird, anstelle der Speisekarte, einfach jedes Desert einzeln an den Tisch getragen. Der Kunde soll schliesslich wissen, was er zu sich nimmt. Hat er dann die schwere Aufgabe der Wahl gemeistert, wird alles wieder in die Kueche getragen, zubereitet und nebenbei Kaffee, Tee oder Espresso serviert.
Ist der Kunde dann mit allen Speisen durch und auf das Vollste zufrieden, wagt man es, ihn wieder aus dem Restaurant zu lassen. Natuerlich, nachdem er bezahlt hat. Hierbei bedankt man sich natuerlich und verbeugt sich so oft im 90° Winkel, dass man wahrscheinlich mehr vom Boden als vom Kunden selbst sieht.
Man zieht ihm anschliessend Mantel oder Jacke an, oeffnet im die Tuer und traegt sein Gepaeck gerne bis vor die Haustuer. Dann folgen weitere Verbeugungen, bis sich der Kunde endgueltig entfernt hat. Dann rauemt man alles auf, macht sauber und deckt alles neu ein.

Das ist, grob beschrieben, genau das, was ich 3-4 mal die Woche mache. Klingt anstrengend und ungewoehnt? Auf jeden Fall! Aber nichtsdestotrotz macht es mir super viel Spass und ich geniesse die Momente, in denen ich mich mit den Kunden unterhalten kann. Gestern ist sogar etwas so ungewoehnliches passiert, dass alle Angestellten im Restaurant gestaunt haben:
Ich habe von einem Japaner 500 Yen Trinkgeld bekommen!
Klingt vielleicht nicht aufregend oder besonders, aber man muss wissen, dass es in Japan nicht ueblich ist, dass man Trinkgeld gibt. Trinkgeld, so wie wir es aus Deutschland kennen, existiert hier nicht.
Deshalb war es nicht nur fuer mich, sondern auch fuer alle anderen sehr erstaunlich!
Japaner sind halt immer fuer eine Uberraschung gut!
Ich mach mich jetzt auf zur Arbeit und freue mich schon auf die Leute, die kommen werden!

Bis bald,
Max

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